… ging gestern durch Medien, die etwas auf sich halten, als die Nachricht bekannt wurde, dass der Diogenes Verlag Zürich nicht an der diesjährigen Frankfurter Buchmesse im Oktober teilnehmen wird. Außenstehende mag diese Entscheidung vielleicht verwundern, aber die Gründe liegen für leidgeprüfte Verlagsmenschen ziemlich auf der Hand. Ich zähle hier nur drei auf:
1. Die Freigabe des Wechselkurses des Franken durch die Schweizer Notenbank bringt viele Schweizer Firmen – durch das Absacken des Franken gegenüber dem Euro – in arge Bedrängnis. Dies führt inzwischen dazu, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mancher Schweizer Betriebe bis zu 20 % Mehrstunden auf ihre normale Arbeitszeit leisten. Gemäß den Schweizer Arbeitszeitregelungen geht das einwandfrei. Gleichzeitig sinkt der Umsatz, sowohl national wie bei den Exporten. Die Teilnahme an der Buchmesse würde für den Diogenes Verlag einfach zu teuer, um – wie er selbst schrieb – seine „Planungssicherheit“ zu wahren. Schön formuliert.
2. Die Messe ist allgemein teuer: Wir haben selber bei den Protesten mitgemacht, als die Direktion der Frankfurter Buchmesse im Jahr 2003 die Ausstellergebühren auf einen Schlag um bis zu 60 % und auch die Preise der Tickets stark anheben wollte. Inzwischen sind die Standmieten trotzdem kräftig gestiegen, und die Tageskarten kosten heute für Fachbesucher EUR 52,00 (für drei Tage) und für normale Sterbliche EUR 18,00 (pro Tag). Früher sind z. B. die Büchereien Wien in Mannschaftsstärke und für mehrere Tage zur Frankfurter Buchmesse gefahren. Heute entsenden sie, soviel ich weiß, gerade einmal zwei Personen, und die fahren über Nacht hin und am selben Tag wieder zurück. Und welche Buchhändlerin und welcher Buchhändler kann es sich angesichts dieser Preise noch leisten, mit Auszubildenden auf die Buchmesse zu fahren? Ganz abgesehen einmal von JournalistInnen kleiner Medien, aus dem Baltikum oder aus Übersee? Die Folge dieser – nicht gerade weitblickenden – Preisgestaltung sind sinkende Zahlen von TagesbesucherInnen, von FachbesucherInnen und von AusstellerInnen, die mit einem eigenen Stand ihre Neuerscheinungen präsentieren wollen.
3. Der Schwerpunkt ist verrutscht: Die Direktion der Buchmesse setzt auf neuen Medien … und sonst fast gar nichts. Dies war zumindest mein Eindruck von den letzten Buchmessen in Frankfurt. Da fühlt man sich ganz altmodisch, wenn man dem Publikum noch gedruckte Werke vorstellen möchte. Das Publikumsinteresse gilt inzwischen gar nicht so sehr den Büchern, den Events und sonst allem möglichen anderen, wie es von den VertreterInnen der Branche und der Messeleitung offenbar gewünscht ist, die den ganzen Tag nur von E-Books, E-Pubs und anderen E-s sprechen. Warum sollte ein Buchverlag da eigentlich noch auf die Buchmesse fahren?
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„Spitzwegerich“ oder [wie] ein Buch entsteht 8
Der Metteur …
der, bitte wer?, und was hat er mit dem neuen Buch von Wolfgang Bartsch zu tun?
Manche von Ihnen werden vielleicht schon vermuten, dass diese Berufsbezeichnung, die heute meistens nur noch in Kreuzworträtseln zu finden ist, etwas mit dem Verlagswesen zu tun haben könnte. Immerhin sind wir ein Verlag und veröffentlichen Bücher. Richtig: diese müssen hergestellt werden. Früher hat man das mit Bleisatz und Satzkästen voll mit den von Gutenberg erfundenen beweglichen Lettern gemacht. Diesen Vorgang nannte man den Werksatz: „Unter Werksatz versteht man den Satz von Büchern mit allen daraus sich ergebenden Arbeitsleistungen, angefangen mit der Herstellung des glatten Satzes durch den Paketsetzer, die künstlerische Gestaltung der Titel und des gesamten Werkes bis zum Umbruch durch den Metteur en pages, in Deutschland kurz Metteur genannt.“ (S. 131) Da haben wir ihn, den Metteur. Nein, leider, gendern können wir ihn nicht, weil dieser Beruf, ebenso wie fast alle anderen in der Frühzeit des graphischen Gewerbes, von Männern ausgeübt worden ist. Von Männern mit geringer Lebenserwartung: Die meisten Bleisetzer haben ihr dreißigstes Lebensjahr nicht lange überlebt. Wegen der Bleivergiftungen.
Eine kleiner Exkurs, weil ja nicht nur Bücher, sondern auch Zeitungen gesetzt werden müssen: „Gerade der Zeitungsumbruch ist eine Tätigkeit, für die ein besonders umsichtiger, flotter, eingearbeiteter Metteur eine Voraussetzung ist. Der Metteur hat mehrere Helfer, die ihm während des Umbruchs flott zur Hand sein müssen. So stellt einer die einzelnen Stücke in der Reihenfolge des Spiegels auf die Platte und bindet sie auf; ein zweiter justiert die einzelnen Kolumnen und macht dabei gleichzeitig die noch notwendigen Korrekturen. Meist werden die fertigen Kolumnen auch gleich in der Setzerei von eingearbeiteten Setzern zum Stereotypieren geschlossen.“ (S. 193)
Der Metteur war also der Gruppen- oder Umbruchleiter, dem viele Helfer unterstanden. Er selbst unterstand wiederum dem Faktor. Aber das ist eine andere Geschichte. (S. 84)
Obwohl der Metteur heute als eigenständiger Beruf in der Setzerei, so wie viele andere Berufe im Druckerei- und Verlagswesen, ausgestorben ist, war seine Aufgabe in der Vergangenheit also sehr wichtig bei der Herstellung des Buchsatzes.
Die verschiedenen Arbeitsschritte in der Buchproduktion waren alle in unterschiedliche Lehrberufe unterteilt, und sie gehörten zu den angesehensten in der gesamten Branche, ja der gesamten Arbeiterschaft. Es waren auch die Drucker und die Setzer, die sich als erste Berufsgruppen überhaupt gewerkschaftlich organisiert haben. Nicht nur wegen der Bleivergiftungen.
… Aber auch das ist eine andere Geschichte, und diese Erwähnung soll nur darauf abzielen, dass heute allzu gerne vergessen wird, welche grundlegende Rolle die Gewerkschaften oder die Frauenbewegung oder die Friedensbewegung hatten, wenn es darum ging, die Rechte zu erkämpfen, von denen wir heute immer noch profitieren und die wir, wie z. B. das allgemeine und gemeine Wahlrecht, für selbstverständlich halten …
Zurück zum Metteur und dem Buchsatz, eigentlich dem Werksatz: Die verschiedenen Arbeitsschritte, die früher von strikt voneinander getrennten Berufsgruppen bei der Produktion von Büchern durchgeführt wurden, sind im modernen Produktionsprozess in der Vielzahl zusammengefallen. Trotz der tatkräftigen Hilfe von Computerprogrammen steckt aber auch heute noch eine Menge Arbeit hinter dem Lektorat, dem Satz, der Gestaltung und dem Druck eines Buchs.
Also schlüpfe ich in diesen Tagen in die Rolle des Metteurs und wähle für das Buch von Wolfgang Bartsch die Schriften aus, überprüfe, ob alle Auszeichnungen auch in den entsprechenden Schriftschnitten vorliegen, schaue, ob die Überschriften zusammenpassen, prüfe die Sonderzeichen und entwerfe den Satzspiegel. Dann durchforsten wir den Text nach typographisch falschen Apostrophen, zu kurzen Gedankenstrichen, doppelten Leerzeichen und widerspenstigen Fehlformatierungen, die aus früheren Textversionen stammen.
Der Metteur hat das früher am Satztisch und an den Setzkästen und mithilfe der beweglichen Lettern gemacht. Ich mache es am Computer, aber es ist eine ähnliche Aufgabe. Schön ist es, wenn man sich bei der eigenen Arbeit daran erinnern darf, dass das, was man gerade macht, früher ein Handwerk war. Aber eigentlich ist es das heute auch noch. Zumindest bei uns.
Und weil ich als Verleger auf das Copyright stehe, hier nun die Quellenangabe für die feinen Zitate:
Fritz Genzmer
Das Buch des Setzers
Kurzgefaßtes Lehr- und Handbuch für den Schriftsetzer
Achte völlig neubearbeitete, bebilderte Auflage
Ullstein Fachverlag, Frankfurt/Main – Berlin 1961