Der Metteur …
der, bitte wer?, und was hat er mit dem neuen Buch von Wolfgang Bartsch zu tun?
Manche von Ihnen werden vielleicht schon vermuten, dass diese Berufsbezeichnung, die heute meistens nur noch in Kreuzworträtseln zu finden ist, etwas mit dem Verlagswesen zu tun haben könnte. Immerhin sind wir ein Verlag und veröffentlichen Bücher. Richtig: diese müssen hergestellt werden. Früher hat man das mit Bleisatz und Satzkästen voll mit den von Gutenberg erfundenen beweglichen Lettern gemacht. Diesen Vorgang nannte man den Werksatz: „Unter Werksatz versteht man den Satz von Büchern mit allen daraus sich ergebenden Arbeitsleistungen, angefangen mit der Herstellung des glatten Satzes durch den Paketsetzer, die künstlerische Gestaltung der Titel und des gesamten Werkes bis zum Umbruch durch den Metteur en pages, in Deutschland kurz Metteur genannt.“ (S. 131) Da haben wir ihn, den Metteur. Nein, leider, gendern können wir ihn nicht, weil dieser Beruf, ebenso wie fast alle anderen in der Frühzeit des graphischen Gewerbes, von Männern ausgeübt worden ist. Von Männern mit geringer Lebenserwartung: Die meisten Bleisetzer haben ihr dreißigstes Lebensjahr nicht lange überlebt. Wegen der Bleivergiftungen.
Eine kleiner Exkurs, weil ja nicht nur Bücher, sondern auch Zeitungen gesetzt werden müssen: „Gerade der Zeitungsumbruch ist eine Tätigkeit, für die ein besonders umsichtiger, flotter, eingearbeiteter Metteur eine Voraussetzung ist. Der Metteur hat mehrere Helfer, die ihm während des Umbruchs flott zur Hand sein müssen. So stellt einer die einzelnen Stücke in der Reihenfolge des Spiegels auf die Platte und bindet sie auf; ein zweiter justiert die einzelnen Kolumnen und macht dabei gleichzeitig die noch notwendigen Korrekturen. Meist werden die fertigen Kolumnen auch gleich in der Setzerei von eingearbeiteten Setzern zum Stereotypieren geschlossen.“ (S. 193)
Der Metteur war also der Gruppen- oder Umbruchleiter, dem viele Helfer unterstanden. Er selbst unterstand wiederum dem Faktor. Aber das ist eine andere Geschichte. (S. 84)
Obwohl der Metteur heute als eigenständiger Beruf in der Setzerei, so wie viele andere Berufe im Druckerei- und Verlagswesen, ausgestorben ist, war seine Aufgabe in der Vergangenheit also sehr wichtig bei der Herstellung des Buchsatzes.
Die verschiedenen Arbeitsschritte in der Buchproduktion waren alle in unterschiedliche Lehrberufe unterteilt, und sie gehörten zu den angesehensten in der gesamten Branche, ja der gesamten Arbeiterschaft. Es waren auch die Drucker und die Setzer, die sich als erste Berufsgruppen überhaupt gewerkschaftlich organisiert haben. Nicht nur wegen der Bleivergiftungen.
… Aber auch das ist eine andere Geschichte, und diese Erwähnung soll nur darauf abzielen, dass heute allzu gerne vergessen wird, welche grundlegende Rolle die Gewerkschaften oder die Frauenbewegung oder die Friedensbewegung hatten, wenn es darum ging, die Rechte zu erkämpfen, von denen wir heute immer noch profitieren und die wir, wie z. B. das allgemeine und gemeine Wahlrecht, für selbstverständlich halten …
Zurück zum Metteur und dem Buchsatz, eigentlich dem Werksatz: Die verschiedenen Arbeitsschritte, die früher von strikt voneinander getrennten Berufsgruppen bei der Produktion von Büchern durchgeführt wurden, sind im modernen Produktionsprozess in der Vielzahl zusammengefallen. Trotz der tatkräftigen Hilfe von Computerprogrammen steckt aber auch heute noch eine Menge Arbeit hinter dem Lektorat, dem Satz, der Gestaltung und dem Druck eines Buchs.
Also schlüpfe ich in diesen Tagen in die Rolle des Metteurs und wähle für das Buch von Wolfgang Bartsch die Schriften aus, überprüfe, ob alle Auszeichnungen auch in den entsprechenden Schriftschnitten vorliegen, schaue, ob die Überschriften zusammenpassen, prüfe die Sonderzeichen und entwerfe den Satzspiegel. Dann durchforsten wir den Text nach typographisch falschen Apostrophen, zu kurzen Gedankenstrichen, doppelten Leerzeichen und widerspenstigen Fehlformatierungen, die aus früheren Textversionen stammen.
Der Metteur hat das früher am Satztisch und an den Setzkästen und mithilfe der beweglichen Lettern gemacht. Ich mache es am Computer, aber es ist eine ähnliche Aufgabe. Schön ist es, wenn man sich bei der eigenen Arbeit daran erinnern darf, dass das, was man gerade macht, früher ein Handwerk war. Aber eigentlich ist es das heute auch noch. Zumindest bei uns.
Und weil ich als Verleger auf das Copyright stehe, hier nun die Quellenangabe für die feinen Zitate:
Fritz Genzmer
Das Buch des Setzers
Kurzgefaßtes Lehr- und Handbuch für den Schriftsetzer
Achte völlig neubearbeitete, bebilderte Auflage
Ullstein Fachverlag, Frankfurt/Main – Berlin 1961